Bioenergie in kommunalen Wärmenetzen

Am 24. April 2019 veranstaltete das Sächsische Netzwerk Biomasse e.V. in Kooperation mit der Saxonia Bildung GmbH eine Informationsveranstaltung zu „Bioenergie in kommunalen Wärmenetzen“.

Gastgeber war die Stadt Oederan, eine Stadt, die sich seit Jahrzehnten für den Einsatz von regenerativen Energien verdient gemacht hat und an diesem Praxistag durch Eberhard Ohm (Stadtverwaltung Oederan) ihr Energiekonzept und das Modellprojekt „Nahwärmeinsel im Altstadtquartier“ vorstellte.

Die Eröffnung übernahm Erik Ferchau (Sächsisches Netzwerk Biomasse e.V.) mit einer Vorstellung des Netzwerks Biomasse und dem Verweis auf weitere Veranstaltungen.

Hybride Wärmeversorgung mit kalten Wärmenetzen

Anschließend übernahm Bernd Felgentreff (Technische Beratung Systemtechnik) und referierte über hybride Wärmeversorgung mit kalten Wärmenetzen, Wärmequellen und Speicher, u.a. Eisspeicher.

Herr Felgentreff, der sich selbst als Technologie-Scout, Netzwerker und Akquisiteur begreift, verstand es hervorragend informativ und kurzweilig die Ist-Situation im Wärmebereich darzustellen, stets untersetzt mit Lösungsvorschlägen.

Thematisch startete der Vortrag mit der Frage: “Wie kommen wir zu einer Dekarbonisierung?“. Die Entwicklung der Nutzung fossiler Energieträger wurde aufgezeigt, z.B. mit dem Anstieg der Erdbevölkerung seit dem Jahre 0 um das 25fache, oder dem Anstieg des Energieverbrauchs in Deutschland seit 1900 um das 110fache, aber auch wirtschaftliche Aspekte wie der Ölpreisanstieg seit 1970 um das 23fache wurden dargestellt. Trotz des Preisanstieges fossiler Energieträger sei die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit durch neue Technologien zum Teil noch schwer zu erreichen: „Bei konventionellen Systemen mit Wärmepumpe bei einer Arbeitszahl von 3 liegt man am Ende über dem Preis einer Gasheizung. Diese Technologien lassen sich damit auch schwer vermitteln“, so Felgentreff. Auf dem Wärmesektor sei in der Vergangenheit viel zu wenig passiert. Die Erfolgsgeschichten beziehen sich stets (ob erkennbar oder nicht) auf die Stromerzeugung im Mobilitätssektor oder Wärmesektor. Herr Felgentreff zeigte die Probleme von heute anhand anschaulicher Beispiele auf: „Wir halten 24 h die Kapazität der Spitzenlast vor, um letztendlich 5 min zu duschen…“ und präsentierte innovative Lösungskonzepte:

Wärmenetze für die Zukunft: „Kälter ist besser“

Kalte, intelligente Wärmenetze sind hervorragend geeignet für neue, kleinere Wärmenetze, auch in der Altbausubstanz (Stadtquartiere). Sie können wechselwarm (Sommer/Winter) betrieben werden, sind offen für erneuerbare Wärmeträger und können ein großes ungenutztes Potential in Deutschland nutzen: Die niedertemperaturige Abwärme. Mit der Temperaturabsenkung im Vergleich zum heutigen Niveau könnten auch andere Speicher erschlossen werden, z.B. Speicherung und Nutzung vorhandener Wärme im Grundwasser.

Eine vielversprechende Zukunftstechnologie ist die Vakuum-Flüssigeis-Erzeugung. Dabei wird Wasser im Vakuum verdampft, entzieht dadurch der umgebenen Flüssigkeit Energie und es bildet sich ein Wasser-Eis-Gemisch, oder auch Flüssigeis genannt. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Kältespeicherung, der Integration bzw. Speicherung von regenerativer Energie, der Flexibilisierung von Kraft-Wärme-Kälte-Anwendungen und als Ersatz zu herkömmlichen Kältemitteln.

Einsatz der Stadt Oederan für erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Anschließend holte Herr Ohm (Stadt Oederan) die Teilnehmer wieder aus der Zukunft in die Gegenwart und erläuterte den Weg der Stadt zu dem Modellprojekt „Nahwärmeinsel im Altstadtquartier der Stadt Oederan“.

Die Stadt Oederan erarbeitete schon 1991/92 ein Energiekonzept für das Stadtgebiet einschließlich der kommunalen Gebäude. Der Einsatz von regenerativen Energien in einzelnen Teilbereichen der Stadt wurde untersucht und vorangetrieben. Zum 10. Jahrestag der Tschernobyl Katastrophe (1996) veranstaltete die Stadt Oederan einen „Tag der erneuerbaren Energie“. Mittlerweile fand dieser Tag zum 24. Mal statt und hat sich längst deutschlandweit etabliert. Die konsequente Arbeit und Verbesserung des kommunalen Energiemanagements zahlen sich aus. 2005 erhielt die Stadt Oederan den Deutschen Solarpreis. Über die letzten 10 Jahre hinweg wurde die Stadt regelmäßig nach den Klimaschutz- und Energiekriterien des „European Energy Award“ zertifiziert. Die Stadt Oederan gibt Kaufpreisermäßigung auf Grundstücke, wenn diese energieeffizient bebaut werden.

Nahwärmeinsel im Altstadtquartier der Stadt Oederan

Herr Ohm referierte über den Werdegang des Projektes, wobei neben Fakten auch die Erfahrungsberichte nicht zu kurz kamen. Das Projekt startete 2011 mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie. In den Jahren 2012 bis 2015 wurde die Nahwärmeinsel einschließlich der Nahwärmetrasse gebaut und ging schließlich Im Jahr 2016 in den Probebetrieb. Während des Probebetriebes wurden ausschließlich die öffentlichen Gebäude versorgt. Seit 2018 Ist die gesamte Anlage im „Vollbetrieb“, alle angeschlossenen privaten Wohn- und Geschäftshäuser in der Umgebung der Energiezentrale werden beliefert. Wärmelieferung erhalten 14 private Wohn- und Geschäftshäuser, sowie 2 öffentliche Gebäude. Der erzeugte Strom aus dem Blockheizkraftwerk (19 KW) und aus der Photovoltaikanlage (12 KWp) wird in den öffentlichen Gebäuden genutzt.

Abschließend wurde das „Heizhaus“ besichtigt, die Zentrale der Nahwärmeinsel. Dieses Gebäude ist ein imposantes altehrwürdiges Gebäude, das im Zuge dieser Maßnahme komplett saniert wurde. Dort befinden sich drei Wärmeerzeuger: Ein Erdgas-Blockheizkraftwerk, ein Pelletkessel und ein Erdgas-Spitzenlastkessel stehen mit einer Wärmeleistung bis zu 950 KW zur Verfügung. Die Trassenlänge des Nahwärmenetzes beträgt 450 m.

 

Die Quintessenz dieses Tages könnte lauten: Es gibt viel zu tun! Zukunftslösungen und Referenzobjekte zeigen, dass alternative Wege zum Ziel führen. Man muss sie nur gehen!